Das Parosphromenus-Project ist in einem ganz anderen Zusammenhang entstanden
Für diejenigen, die etwas mehr über den Hintergrund des Projektes erfahren möchten, hier kurz einige Fakten. Sie entführen uns zunächst in eine Welt der Forschung, die gar nichts mit Aquarien und Fischen zu tun hat.
Im Jahr 1992 wurde an drei Universitäten in Deutschland, England und den USA eine internationale Forschergruppe gegründet. Die beteiligten Forscher waren Kultur-, Sozial– und Wirtschaftswissenschaftler. Sie entwarfen ein gemeinsames internationales Forschungsprojekt mit dem Namen „Indicators of Cultural Change by Economization and Globalization“, das dann ab 1993 zehn Jahre lang durchgeführt wurde. Es ging in ihm um die Frage, woran wir erkennen können, welchen Einfluss das heute immer vorherrschender werdende ökonomische Denken, die ganze Ausrichtung unseres Lebens nach ökonomischen Kategorien wie Geld, Handel, Markt, Produkte auf unsere verschiedenen Kulturen gehabt haben und weiter haben. Vor zweihundert Jahren, ja noch vor hundert Jahren war unser allgemeines Denken und Leben jedenfalls noch längst nicht so wirtschaftlich geprägt und auf ökonomische Größen hin orientiert wie heute. Zwar gibt es immer noch Bereiche, die davon kaum erfasst worden sind, aber vor allem fällt das Umgekehrte auf. Heute leben wir in einer globalisierten Welt allumfassender Kommunikation und Vernetzung, und es ist vor allem die wirtschaftliche Vernetzung, die den Lauf der Dinge maßgeblich prägt, fast überall.
Zu den Initiatoren jenes Forschungsprojektes gehörte ein Professor für Wissenschaftstheorie und Kulturökologie an der Universität Bielefeld (Deutschland), Peter Finke, und seine Arbeitsgruppe (“E.C.E.R.G.: Evolutionary Cultural Ecology Research Group”). Die Hauptuntersuchungsfelder, auf denen hier der kulturelle Wandel untersucht wurde, waren Wissenschaft und Bildung, Politik und Alltagskultur. Zu letzterer aber gehört auch der Freizeitbereich mit Liebhabereien und Hobbys. Zunächst sollten sie gar nicht weiter beachtet werden, aber dann zeigte sich, dass gerade viele Formen der Alltags– und Freizeitkultur sehr deutliche Indikatoren des Wandels enthielten, um den es ging. Es wurden deshalb dann doch auch Hobbys untersucht und zwar solche, die heute mehr oder weniger stark mit dem ökonomischen Marktgeschehen und den weltweiten Handelsbeziehungen verknüpft sind, was früher weit weniger der Fall war. Und hierzu gehört die Aquaristik. Früher war sie ökonomisch unbedeutend, aber mit der Erfindung eines haltbaren, nährstoffreichen Trockenfutters und immer neuen Wasserzusätzen und Geräten änderte sich das in den letzten Jahrzehnten rapide. Heute bestimmt eine noch weiter wachsende Aquarienindustrie weithin die Betriebsweisen diesen Hobbys.
Die Ergebnisse des Projekts waren also, gerade auf diesem Feld, eindeutig: Wie in vielen anderen Lebensbereichen auch ist das Aquarienhobby im vergangenen halben Jahrhundert sehr stark durch ökonomische Einflüsse und die Folgen der globalen Handelsbeziehungen verändert worden. . Es wurde von einer Liebhaberei relativ weniger individueller Bastler und Fischfreunde, die sich in allem selbst helfen mussten, zu einem beachtlichen Marktfaktor, ja sogar zu einem Massenhobby vieler, mit einer großen Palette von Standardangeboten bei Fischen und Zubehör. Zu der Gesamtentwicklung gehören aber auch – was in Europa wenig bemerkt wird – massive Lebensraumzerstörungen in den Tropen, zum Beispiel die Vernichtung der tropischen Regenwälder. Deren Ursachen haben mit dem Hobby freilich nichts zu tun. Es ist der globale Siegeszug des westlichen ökonomischen Denkens, die Macht internationaler Konzerne, aber auch die weltweite Nachfrage nach Tropenholz, Palmöl und Billigprodukten aus Asien, die den Hintergrund dieses Dramas bilden. Aber: In der Konsequenz, der Vernichtung der ehemals reichen Tropennatur und ihrer enormen Biodiversität, wirken sie nun auch auf das Aquarienhobby zurück.
Peter Finke, der selbst von Kindesbeinen an Aquarianer ist und schon als Student die Prachtguramis kennen und lieben gelernt hatte, fiel sofort auf, dass die beobachtete Veränderung nicht im gleichen Umfang für alle Bereiche der Aquaristik galt. Während fast 95 Prozent aller Aquarianer heute von Marktprodukten weitgehend oder vollständig abhängig geworden sind, gibt es im Hobby immer noch einige Nischen, die davon weniger betroffen sind. Zum Beispiel deshalb, weil es um Fische geht, die kein Trockenfutter fressen, die nicht in normalem Leitungswasser gehalten werden können oder die die volle technische Ausrüstung heutiger Normalaquarien nicht brauchen. Hierfür stehen neben einigen anderen Gruppen die Prachtguramis, die deshalb auch nur selten gehandelt werden und in großen Teilen der gängigen Aquarienliteratur überhaupt nicht vorkommen. Diese Fische leiden aber massiv unter den Folgen der Globalisierung: Billiges Tropenholz und billiges Palmöl schafft für jene armen Länder einen Exportmarkt und vernichtet ihre Lebensräume. Zumindest für die Prachtgurami-Aquarianer stellt sich nun die Frage, wie sie sich hierzu verhalten sollen. Indirekt aber sind auch alle anderen Aquarianer von diesen Folgen unserer kulturellen Entwicklung mitbetroffen und müssen sich Gedanken darüber machen, wie sie ihr Hobby in Zukunft verstehen wollen.
So entstanden die beiden Geburtsideen für das Parosphromenus-Project: zunächst im Rahmen einer wissenschaftlichen Forschungssituation, die mit Aquarien und Prachtguramis überhaupt nichts zu tun hatte. Dann aber auch in der Aquaristik selbst: bei dem Versuch, dieses Hobby und die moralische Aufgabe des Naturschutzes zusammen zu denken (was leider noch nicht häufig genug geschieht). Aus diesen beiden Wurzeln erwuchs schließlich das Konzept des Parosphromenus-Projects: die Idee, am Beispiel der Prachtguramis das Modell einer Erhaltungsaquaristik neben der Standardaquaristik zu entwickeln. Diese kann sich zwar aus den globalen Veränderungen nicht ausklinken, aber doch versuchen, die Schäden, welche Ökonomisierung und Globalisierung an der Natur, an den Landschaften, an der Biodiverstät angerichtet haben und weiter anrichten, wenigstens dort, wo wir Einfluss darauf haben, durch aktives Handeln zu begrenzen und zu verringern. Wir hoffen aber auch, dass es über den engen Rahmen der Prachtgurami-Aquaristik hinaus Veränderungen im Denken und Handeln anstößt.